Der Schneider

Erinnerungen an leere Gänge
und Treppenhäuser.
Graue Bilder

unscharf und verwaschen, wie
alte Fotoaufnahmen.
Meine Mutter

war mit der Brutpflege des
kleinen Bruders
beschäftigt.

Mein mürrischer Großvater,
bei dem wir wohnten,
meinte den

kleinen Schreihals beschützen
zu müssen und hielt
mich für

einen bedrohlichen Störenfried.
Ganz oben wohnte
der Schneider.

Wie im Märchen saß er auf
seinem breiten Tisch im
Schneidersitz,

nähte und erzählte Geschichten,
die mir wenig glaubwürdig
erschienen.

„Du lügst!“ rief ich, doch er sagte:
„Ich liege nicht, ich sitze!“
Das machte

mich wütend und ich wiederholte:
„Du lügst!“ und er: „Ich liege
nicht, ich sitze!“

Soweit ich mich erinnere, war er damals
der einzige, der sich Zeit nahm
mit mir zu sprechen.